Der Lykische Weg
12. Tag Alanya - Ulupınar - Beycik (12,9 km)
Wir stehen um 8.00 Uhr auf und eine Stunde später sitze ich auf dem Balkon und frühstücke. Meine Sachen sind gepackt, mein Proviant verstaut. Kurz vor 10.00 Uhr kommt der Bus und ich verabschiede mich etwas wehmütig. Jetzt sitze ich im Bus und hoffe dass die Fahrt bald vorbei ist. Vor allem wegen der nervigen Musik. Am liebsten hätte ich jetzt meine Ruhe und kein Gedudel um mich herum. Draußen ist es diesig. Hoffentlich habe ich schönes Wetter beim Wandern. Der Bus nimmt eine andere Route, doch ich bin auch hier nach gut 2 Stunden in Antalya, wo ich mir ein Ticket nach Ulupınar kaufe. Schnell noch etwas Wasser kaufen und schon geht’s mit dem Dolmus weiter. Nach weiteren 2 Stunden steige ich also dann an der Strasse nach Ulupınar aus.
Am Strassenrand konfiguriere ich dann den Rucksack. Wasser umfüllen, Trinkschlauch, Fotoapparat und GPS befestigen etc. Während ich noch mit meinem Gerödel beschäftigt bin, taucht von der gegenüber liegenden Straßenseite ein Typ auf der auch mit Rucksack unterwegs ist und spricht mich an. Er heißt Adam und kommt aus Israel und er fragt, ob es mir was ausmachen würde, wenn er mich begleitet. Er will ebenso wie ich heute bis Beycik laufen. Er betont mehrmals ich wäre "well-equipped", wegen Foto, GPS usw, aber im Moment komme ich mir eher wie ein geschmückter Weihnachtsbaum vor.
Eigentlich hatte ich gehofft diesen letzen Abschnitt für mich alleine sein zu können, aber dennoch stimme ich zu. Ich werde später hoffentlich noch meine Tour in stiller Zweisamkeit mit der Natur weiterführen können. Er selbst hat nur eine Strassenkarte deren Maßstab fürs Wandern total ungeeignet ist. Ich mache mich auf den Weg um die Markierung des Lykischen Weges zu suchen. Anfangs behauptet Adam mehrmals, wir müssten in die entgegen gesetzte Richtung laufen, aber ich lasse mich nicht beirren. Mein GPS zeigt mir an wo wir sind, ich habe die Beschreibung gelesen und auch vom Gefühl her habe ich nicht den geringsten Zweifel in die richtige Richtung zu laufen. Ich stelle es ihm frei, mir zu folgen, oder anders zu laufen und schliesslich lässt er sich doch davon überzeugen mir zu folgen.
Es ist sehr heiß und am Straßenrand gibt’s leider keinen Schatten. Immer wieder hupen uns entgegenkommende Wagen an und die Menschen winken uns fröhlich zu. Vielleicht haben sie ja auch nur Mitleid, weil sie sich denken, dass wir übergeschnappt sein müssen um in solch einer Hitze mit dem Gepäck zu Fuß unterwegs zu sein. Aber daran habe ich mich schon lange gewöhnt. Mir machts nichts aus. Ich laufe gerne. Bald entdecke ich auch schon die gesuchte Markierung (WP: 28Abzweigung), die uns nach rechts abzweigen und in den Wald laufen lässt. Kurz danach kommen wir auf einen bequemen Forstweg. Meistens ist der Weg gut zu finden und auch passabel markiert. Wenn wir mal aus den Bäumen rauskommen, bietet sich eine grandiose Aussicht über die Berge und Hügel fast bis zur Küste runter. Ich kann das Tal ausmachen, durch das wir vorgestern von Ulupınar über Chimära nach Çıralı gewandert sind.
Gelegentlich treffen wir auf vereinzelte Ziegen. Adam füllt an einer Wasserleitung am Wegesrand sein Wasser auf, doch ich gebe zu bedenken, dass das gerade in unmittelbarer Nähe zu Weideflächen vielleicht nicht so optimal sei. Während wir also noch hier an der Wasserquelle stehen, kommt ein alter Mann den Pfad herauf und spricht uns an. Wir fragen ihn nach Wasser und er bedeutet uns ihm zu folgen. Also verlassen wir den Wanderweg und folgen ihm einige Meter bergab bis wir an seinem Haus ankommen, wo er uns dann erneut willkommen heisst. Zuerst stellen wir unser Gepäck ab und dann setzen wir uns auf dem Platz vor seinem Haus unter einem schattigen Baum an einen Tisch. Wir sitzen unter einem Baum, der uns Schatten spendet an einem Tisch. Der Mann geht zu seiner Frau, die im hinteren Bereich des betonierten Vorplatzes am Boden unter dem recht provisorisch wirkenden Vordach sitzt und unterhält sich leise mit ihr.
Adam und ich schauen uns an und sind gespannt, wie es weitergeht. Wir wollen uns nicht allzu lange aufhalten, doch die Gastfreundschaft auszuschlagen wäre nicht in Frage gekommen. An der Hauswand steht ein Stapel jener unvermeidlicher Plastikstühle, wie man sie mittlerweile auf der ganzen Welt antrifft. Auf einem wackelig aussehenden Holztisch liegen Paprikaschoten zum trocknen. Neben den Stühlen lehnt ein Grabstein an der Wand. Das wirkt schon ein bisschen makaber. Wahrscheinlich stammt dieser von Familienangehörigen. Immerhin ist schon ein Sterbedatum von 1986 zu erkennen.
Schließlich bekommen wir nach einer Weile frisch gebrühten schwarzen Tee in den typisch tulpenförmigen Gläsern serviert. Die Kanne stellt unser Gastgeber gleich auf den Tisch. Da er nur türkisch spricht und unsere Sprachkenntnisse eher sehr begrenzt sind, ist die Kommunikation etwas zäh, doch es reicht um ihm zu erklären woher wir kommen und was unser heutiges Ziel ist. Der Tee schmeckt sehr lecker. Man sollte gar nicht glauben, dass heißer Tee bei dieser Hitze so gut zum Durstlöschen geeignet ist. Als wir ausgetrunken haben, wollen wir eigentlich weiterziehen, doch schon sind unser Gläser wieder gefüllt und wir bleiben also noch. Derweil geht unser Gastgeber wieder zu seinem Haus. Wir hoffen, dass er nicht wiederkommt und uns etwas zu essen auftischt, auch wenn der Hunger an sich nichts dagegen hätte. Doch wir haben noch ein gutes Stück zu laufen und sind ja auch erst seit einer Stunde unterwegs. Zwischen die Bäume hindurch sehe ich, dass sich der Mann unten im Garten zu schaffen macht.
Bald stellt er uns einen vollen Eimer mit frisch geernteten Weintrauben hin. Sie sehen aus wie gemalt und schmecken super lecker. Nachdem wir ca. 1kg verdrückt haben, ist der Eimer aber noch nicht nennenswert leerer geworden. Mit viel Überredungskunst entziehen wir uns dann der Gastfreundschaft und schultern unser Gepäck. Die schätzungsweise 3kg restlichen Trauben bekommen wir in zwei Plastiktüten gepackt. Wir bedanken uns und werden herzlich verabschiedet. Was für nette, freundliche und zuvorkommende Menschen es doch hier gibt. Bald schon sind wir wieder auf unserem Wanderweg und sputen uns vorwärts zu kommen. Über eine Stunde haben wir jetzt gerastet.. Am Weg gibt es genügend Möglichkeiten an Wasser zu kommen (WP: 30Wasser), kein Vergleich mit der Etappe von Kas nach Ücagiz. Im Wald quert eine Schildkröte unseren Weg, Die Trauben, die ich ihr hinlege ignoriert sie, denn sie ist mehr damit beschäftigt sich schnell zu verstecken. Ein paar mal haben wir Schwierigkeiten die Wegmarkierungen zu finden. Wir trennen uns und suchen und rufen uns dann zu, wenn wir wieder eine gefunden haben. Das geht zu zweit schon schneller als wenn man alleine im Dickicht rumstolpert.
Immer wieder bieten sich auf dem Weg super schöne Landschaftspanoramen. Kurz vor Beycik haben wir dann wirklich Probleme die richtige Richtung bzw, Markierungen zu finden. Einige Häuser haben wir schon passiert, als wir an einem kleinen Kanal entlang laufen und auf so etwas wie einen Wiesenplatz kommen. Hier suchen wir dann ziemlich lange. Die einzige logische Richtung führt durch ein Gartentor direkt in den Garten eines Hauses. Nachdem wir alles andere vergeblich probiert haben, gehen wir also hier entlang. Vor dem Haus sitzen ein paar türkische Frauen und eine Ausländerin, die Englisch spricht. Wir fragen, wo Beycik ist Sie schauen sich verwundert an und geben uns zu verstehen, dass wir hier schon in Beycik sind. Ok, so weit so gut. Als ich mich jedoch nach einer Pension erkundige, antworten sie einhellig, dass es hier keine Pensionen gebe und die nächsten unten an der Küste bei Tekirova zu finden seien. Ich weiss nicht, ob es die Sonne war, oder ob sie was geraucht hatten oder ähnliches, aber das konnte ja nun wirklich nicht sein. Laut Buch gibt es hier einige Pensionen im Ort und wir sind fest davon überzeugt diese auch zu finden.
Wir folgen dem Weg am Haus vorbei durch ein weiteres Privatgrundstück zwischen einigen Kühen hindurch bis zu einer asphaltierten Strasse. Hier sitzen auch einige Kerle herum die uns bergauf schicken, als wir nach Unterkünften fragen. Hier treffen wir auch wieder auf eines dieser gelb/grünen Schilder!. Wir folgen der steilen Strasse ein paar hundert Meter bergauf und kommen auch tatsächlich an die erste Pension.
Dort verabschieden wir uns, da ich es heute noch bis zu dem Yayla Sommerlager schaffen will. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob ich das noch hinkriege, aber draußen will ich auf alle Fälle schlafen. Es ist mittlerweile schon nach 18.00 Uhr und ich gehe strammen Schrittes bergauf als ich von links jemanden rufen höre. Als ich stehen bleibe um die Richtung zu lokalisieren, winkt mich ein Mann heran. Er begrüßt mich in waschechtem Bayrisch, der Fritz aus Berchtesgaden. Die Welt ist echt klein.
Wir setzen uns in seinen Garten und plaudern während wir genüsslich kühles Bier trinken. Fritz meint, dass ich zwar recht schnell unterwegs wäre, aber dass es bald dunkel wird und ich daher verzichten sollte weiter zu wandern. Bis zum Sommerlager, das die Einheimischen hier "Göl" nennen, obwohl es dort gar keinen See gibt, ist es noch eine gute Stunde und in 30 Minuten ist es finster. Er schlägt mir vor, der Strasse noch weitere hundert Meter zu folgen und dann rechterhand unterhalb von zwei riesigen Platanen zu übernachten. Dort gäbe es einen Unterstand im Garten eines Restaurants, der sich sehr gut zum biwakieren eignet. Ich folge seinem Rat und bin gleich entspannter bei dem Gedanken noch ein weiteres Bier zu trinken und nur noch 10 Minuten von meinem Übernachtungsplatz entfernt zu sein. Ich bedanke mich, und Fritz schneidet mir noch zwei Dolden Weintrauben ab, die ich in einer Plastiktüte verstaue.
Als ich meinen Schlafplatz erreiche ist es mittlerweile schon nach 19.00 Uhr (WP: 31Schlafplatz). Ich gehe also vor den beiden Platanen rechts von der Strasse hinunter in eine Art Biergarten. Der ganze Boden ist mit Laub bedeckt und es stehen hier einige Tische und Stühle verlassen herum. Im Sommer ist hier bestimmt einiges los und unter den Bäumen kann man sicher prima im Schatten sitzen. An der Mauer unterhalb der Strasse befindet ein kleines Häuschen das wohl normalerweise als Ausschank oder so dient. Es ist überdacht und sieht sehr neu aus. Links ist sogar eine Toilette vorhanden. Im rechten Bereich ist neben einer Art Tresen noch genügend Platz um Isomatte und Rucksack zu platzieren. Selbst ein Waschbecken gibt es. Besser geht’s nicht.
Kein Mensch weit und breit ist zu sehen und schon bald nehme ich mein Abendessen ein. Fladenbrot und Käse, beides aus Alanya mitgebracht. Dazu frische Trauben (davon habe ich mehr als reichlich) und zum Abschluss noch ein paar Nüsse und einen Müsliriegel. Meinen Beutel mit Proviant hänge ich an den Deckenbalken. Man weiss ja nicht, was sich nachts hier so alles rumtreibt. Seit die Sonne untergegangen ist, ist es merklich kühler geworden. Bald liege ich im Schlafsack, den ich heute bis oben hin schließe und die Kapuze zu ziehe. Mehr als 4°C dürfte es hier auf über 800m nicht sein und ich ziehe mein Buff-Tuch übers Gesicht, so dass nur noch die Augen rausschauen. Ich komme allmählich zur Ruhe. Es ist still. Nur der Wind streicht übers Laub und irgendwann schlafe ich dann ein. Gegen 1 Uhr wache ich auf, weil ich glaube Schritte zu hören. In der Dunkelheit setze ich mich lautlos auf und horche in die Stille. Da ich nach ein paar Minuten nichts weiter höre lege ich mich wieder hin und schlafe weiter.
Einleitung
1. Tag Antalya - Kaş
2. Tag Kaş - Ufakdere (Camp1)
3. Tag Ufakdere - Camp2
4. Tag Camp2 - Kılıçlı - Üçağız
5. Tag Üçağız
6. Tag Kılıçlı - Üçağız
7. Tag Üçağız - Demre - Adrasan
8. Tag Adrasan - Olympos - Çıralı
9. Tag Çıralı
10. Tag Çıralı - Ulupınar - Chimära - Çıralı
11. Tag Çıralı - Alanya
12. Tag Alanya - Ulupınar - Beycik
13. Tag Beycik - YaylaKuzdere
14. Tag YaylaKuzdere - Camp3
15. Tag Camp3 - Aslanbucak