Der Lykische Weg
13. Tag Beycik - Yayla Kuzdere (18,1 km)
Um 6.30 Uhr stehe ich ganz gemütlich auf und räume meine Sachen zusammen. Es ist noch sehr kühl und trotz der idealen Waschgelegenheit entscheide ich mich dagegen, mich hier in der Kälte zu waschen. Bis ich dann aufbreche ist es schon kurz vor 8.00 Uhr. Meine Softshell hält mich warm und so mache ich mich behaglich auf den Weg.
Ich folge der Strasse bergauf, links von mir liegt die Moschee. Es gibt hier schon einige Ferienhäuser und auch Pensionen und weitere sind gerade im Bau. Man kann sich also darauf einstellen, dass hier in Zukunft mit mehr Touristen zu rechnen ist.
Ein Stück weiter kommt dann ein Wegweiser der nach links in den Wald zeigt. Die Luft ist herrlich frisch um diese Tageszeit, ich bin allein mit der Natur und freue mich immer wieder über die sagenhaften Ausblicke. Über der Küste hängen noch einige Wolken und weiter oben befindet sich noch ein Wolkenband, das sich in die Ferne erstreckt bis es am Horizont verschwindet. Die ersten Sonnenstrahlen zeigen sich und begleiten mich auf meinem Weg. Dieser ist wunderbar zu gehen. Weicher Waldboden, gute Markierungen und nur das Geräusch meiner Schritte.
Nach ca. 1h erreiche ich die Yayla, die auch Kate Clow und Michael Hennemann in ihren Büchern erwähnen (WP: 32Göl Yayla). Die Einheimischen nennen diesen Platz Göl, obwohl hier weit und breit kein See ist. Den Weg von Beycik bis hierher in 45 Minuten zurück zu legen halte ich aber für ein recht sportliches Ziel. Da muss man schon ganz schön Gas geben und besonders schnell ist man mit entsprechend viel Gepäck auch nicht gerade. Machbar wäre es vielleicht, doch nur wenn man wirklich ohne Pause durchmarschiert. Und das wäre doch gerade wegen der schönen Aussicht viel zu schade.
Wenn ich grad schon bei Aussicht bin, die Sommerweide liegt wirklich traumhaft am Hang und bietet einem grandiose Weitblicke, so dass man sich kaum satt sehen kann. Die Hügel unterhalb liegen zum Teil in den Wolken und südöstlich ist das Meer zu sehen. Hier mache ich meine Frühstückspause und dank der Quelle kann ich hier auch meine Morgentoilette nachholen. Das Wasser ist herrlich frisch und mittlerweile ist es warm genug um nicht zu frösteln.
Ich setze mich also auf einen großen Stein und betrachte die Szenerie. In ein paar Metern Entfernung steht eine Art Hütte mit Dach und Wänden aus Plastikfolie. Wahrscheinlich für die Hirten, denn neben dran ist auch so etwas wie ein Gehege. Rechts von mir, dort wo der Wald ist und auch eine mächtige Platane steht ist die Quelle, die mittels eines Schlauches in einen Eimer läuft. Hinter mir befindet sich ein gemauertes Becken, das aber leer ist.
Um 9.30 kommt Adam vorbei. Wir plaudern kurz und wir essen jeder einen Apfel. Danach macht er sich auf den Weg zum Gipfel. Ich bleibe noch ein bisschen. Schließlich mache ich mich gegen 10 Uhr auf den Weg. Auch hier ist er sehr gut begehbar und markiert. Er schlängelt sich gemächlich in Serpentinen durch den Wald bergauf. Der Tahtalı Dağı ist zum Greifen nah zu meiner Rechten, doch bis zum höchsten Punkt auf meiner Route sind es noch 500 Höhenmeter. Ich gehe langsam, mache immer wieder kurz halt und genieße die Ruhe und die Aussicht. Nach ca. 2 Stunden bin ich oben auf dem Pass angelangt (WP: 33Sattel). Traumhaft und wunderschön ist der Zedernwald hier .
Als winzigen Punkt am Hang des Tahtalı Dağı kann ich Adam sehen. Mit ihm möchte ich jetzt nicht unbedingt tauschen. Der Berg sieht eigentlich sehr karg und reizlos aus, fast schon langweilig, auch wenn man vom Gipfel sicher eine grandiosen Ausblick hat.
Hier auf dem Sattel bin ich nicht der einzige, denn eine Herde Ziegen zieht auch umher. Umringt von einigen heftig bellenden Hunden, die ihre Herde verteidigen. Ich überlege zuerst einen großen Bogen zu machen, doch die Herde zieht schon weiter nach links unten einem Weg folgend. Ich allerdings brauche eine Weile bis ich den nächsten markierten Stein finde, da mich die Hunde etwas abgedrängt haben. Bald schon sehe ich wo es weiter geht und steige in eine Senke hinab.
Der Himmel wird zusehends finsterer und es sieht gar nicht gut aus. Hoffentlich gerät Adam nicht in ein Unwetter. Unten in der Senke angekommen ist es schon ganz dunkel und es fängt heftig an zu regnen. Ich stelle meinen Rucksack unter einen großen Baum und überlege. Wenn es sich einregnet so wie in Cirali, wo es den ganzen Tag durch geregnet hat, wäre das gar nicht gut und da ich keine Regensachen dabei habe möchte ich auch zunächst nicht weiter gehen. Also beschließe ich erst mal das Zelt aufzustellen. Hier ist gerade so Platz für das gute Stück und bis es fertig steht regnet es wie aus Kübeln. Der Boden ist mittlerweile aufgeweicht und es ist ne ganz schöne Sauerei hier. Ich will den Rucksack holen und dann merke ich, dass der Regen allmählich nachlässt. Ich warte aber noch, stelle mich unter den Baum und esse zwischenzeitlich die Trauben von gestern.
Schließlich hört es wieder auf zu gießen und ich packe das Zelt, das jetzt ganz schön dreckig ist grummelnd wieder ein. Der Zwangsaufenthalt hat mich eine Stunde Zeit gekostet, was mich irgendwie ärgert. War halt ’ne Gefechtsübung, was solls. Ich mache mich also wieder auf den Weg bis ich nach kurzer Zeit auf einen Traktorpfad komme. An der ersten Kehre gibt’s hier auch wieder spektakuläre Ausblicke nach Nordosten ins Tal runter.
Dem Weg weiter folgend sehe ich schon bald die Alm Cukuryayla und hier weiden auch wieder die Ziegen von vorhin. Der Weg führt um die Alm herum doch als ich näher komme, stellen sich die Hunde mir in den Weg und kläffen und knurren mich zu fünft nach Leibeskräften an. Der Trick mit Steinaufheben zeigt keine Wirkung und anbrüllen bringt auch nicht den gewünschten Erfolg. Ich habe keine Chance hier vorbei zu kommen, also ziehe ich mich ein paar Schritte zurück. Jetzt fängt es wieder an zu regnen. Na toll. Allerdings sorgt der Niederschlag dafür, dass sich die Ziegen Richtung Gehege und Unterstand und damit weiter weg vom Weg bewegen. Irgendwann geben die Hunde dann endlich Ruhe und ich passiere langsam und äußerst vorsichtig den Pfad vorbei an der Ziegenfarm. Geschafft, ich habe die Kläffer hinter mir gelassen und entspannt folge ich dem Weg der nun stetig und bisweilen steil bergab führt.
Dieser Forstweg ist fast so breit wie eine Straße, doch das ständige bergab geht allmählich auf die Fußsohlen. Vorbei an Waldarbeitern die mich mit einer Mischung von Verwunderung und Mitleid ansehen geht’s immer weiter bergab. Die im Buch erwähnte Platane erreiche ich, doch einen Pfad der talwärts führt kann ich nicht finden. Selbst nach längerem Suchen nicht. Auch eine Markierung kann ich nirgends entdecken. Ich frage eine Frau, die auf einem Esel unterwegs ist nach dem Weg und sie sagt, dass ich hier auf diesem breiten Weg nach Yayla Kuzdere (WP: 34Way2YaylaKuzdere) komme. Das ist zwar nicht der im Buch beschriebene und ein Bachbett kann ich auch nicht ausmachen, doch ich gehe eben diesen ätzenden Forstweg über unzählige Serpentinen links herum, rechts herum ins Tal.
Meine Fußsohlen sind schon heiß geworden doch schließlich komme ich gegen 16.30 ins Dorf. Gegenüber einem alten Haus befindet sich wieder eine Quelle, wo ich mich erfrische und kurz raste. Beim Weiterlaufen höre ich jemanden rufen und drehe mich um. Ein alter Mann sitzt vor einem Haus und winkt mich zu sich. Seine Frau kommt auch gleich heran und bietet mir an auf einem der Plastikstühle Platz zu nehmen. Beide sind ca. zwischen 60 und 70.Sie fragen mich, ob ich ein Bier oder Tee möchte und ich entscheide mich für Tee. Für heute habe ich genug vom Laufen und spiele mit dem Gedanken hier im Ort zu bleiben. Laut Buch soll es hier aber praktisch keine Übernachtungsmöglichkeit geben.
Ich frage also, ob es hier eine Pension im Ort gibt und beide geben mir zu verstehen, dass ich hier bei ihnen bleiben kann. Das erstaunt mich zunächst, da ich nicht damit gerechnet habe. Außerdem wirkt hier alles etwas schmuddelig. Nicht nur ihre Kleidung und die Hände (die mit Henna gefärbt sind, wie ich später erfahren habe), sondern das ganze Anwesen wirkt leicht heruntergekommen (WP: 35Unterkunft).
Vorerst bleibe ich mal und werde mir noch überlegen, ob ich heute noch weiterziehe oder nicht. Die Frau zeigt mir indessen wo ich schlafen kann und führt mich über eine Holztreppe in den ersten Stock des Hauses. Zuvor allerdings heißt es Schuhe ausziehen. Im Haus kommt eine Diele die mit Teppichen ausgelegt ist. An der gegenüber liegenden wand steht eine Waschmaschine. Es gibt zwei Zimmer hier, geradeaus geht es zu einer Spüle und links davon ins Bad. Mein Zimmer ist quasi leer bis auf die Teppiche am Boden, einigen Matratzen und einer Holztruhe. Alles macht einen ziemlich urigen aber auch ein bisschen schäbigen Eindruck. Und wirkt sehr authentisch.
Ich lasse mein Gepäck im Zimmer und gehe wieder nach draußen. Hier gibt es einen überdachten Bereich mit offener Feuerstelle, einem Sofa und einem Tisch mit Stühlen.
Die Verständigung klappt mit Händen und Füßen und meinen paar Brocken Türkisch einigermaßen gut. Ich bekomme schwarzen Tee den ich jetzt sehr gern trinke. Beide sind so gastfreundlich und herzlich, wie man es selten erlebt. Während die Frau etwas zu Essen zubereitet, holt ihr Mann eine Stofftasche, die hinter ihm an der Wand hängt und gibt mir einige Alben, die sich als Gästebücher herausstellen. Es gibt viele Einträge von Menschen aus aller Herren Länder und interessiert lese ich den einen oder anderen. Stolz zeigt er mir auch ein Foto von sich und seiner Frau in dem Buch von Kate Clow. Da bin ich schon einigermaßen verblüfft. Bald gibt es Linsensuppe mit Knoblauch und Brot, danach Nudeln mit einer Soße aus frischen Tomaten und einen Salat mit Gurken und Tomaten. Alles ist ganz frisch schmeckt super lecker. Zum Nachtisch sozusagen gibt’s noch 2 Äpfel und einige Walnüsse, die aber noch nicht ganz reif sind.
Gut gesättigt trinke ich noch ein weiteres Glas Tee, bedanke mich herzlich und ziehe mich dann zurück. Schließlich möchte ich das alte Ehepaar nicht stören denn bald geht die Sonne unter, so dass sie wegen des Ramadan auch endlich essen können. Ihr Badezimmer ist klein und muffig, aber trotzdem freue ich mich darauf, an der lauwarmen Dusche mich frisch zu machen. Schließlich verziehe ich mich in mein Nachtlager, das heute sehr bequem, windgeschützt und warm ist. Nachdem es erst 19.00 Uhr ist, komme ich auch endlich mal wieder zum lesen und verschlinge geradezu die Seiten von Herrmann Hesses "Siddharta".
Einleitung
1. Tag Antalya - Kaş
2. Tag Kaş - Ufakdere (Camp1)
3. Tag Ufakdere - Camp2
4. Tag Camp2 - Kılıçlı - Üçağız
5. Tag Üçağız
6. Tag Kılıçlı - Üçağız
7. Tag Üçağız - Demre - Adrasan
8. Tag Adrasan - Olympos - Çıralı
9. Tag Çıralı
10. Tag Çıralı - Ulupınar - Chimära - Çıralı
11. Tag Çıralı - Alanya
12. Tag Alanya - Ulupınar - Beycik
13. Tag Beycik - YaylaKuzdere
14. Tag YaylaKuzdere - Camp3
15. Tag Camp3 - Aslanbucak